Wettbewerb 2016/17 Mitte in der Pampa

Kunst im Untergrund zwischen Hauptbahnhof und Cottbusser Platz 2016/17:

Bis 18. September 2016 Präsentation aller Einreichungen in der station urbaner kulturen.

Auszug aus der Auslobung 2016/17

Berlin, 25. April 2016

Kurzbeschreibung

Ziel

Die Auslobung des international offenen Kunstwettbewerbs Mitte in der Pampa im Rahmen des langjährigen Projektes Kunst im Untergrund der neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (nGbK) hat zum Ziel, ortsbezogene künstlerische Arbeiten im Bereich von U‐Bahnstationen der U‐Bahnlinie 5 (2016 und 2017) und U‐Bahnlinie 55 (nur 2016) und deren Umfeld zu realisieren. Die künstlerischen Arbeiten sollen einen U‐Bahnhof zwischen dem Berliner Hauptbahnhof und der U‐Bahnstation Cottbusser Platz zum Ausgangspunkt nehmen, können sich allerdings auch auf das Umfeld der Bahnhöfe beziehen. Bevorzugt werden die U‐Bahnhöfe Hauptbahnhof, Berliner Rathaus, Kaulsdorf‐Nord und Cottbusser Platz.

Die Ausloberin ist interessiert an künstlerischen Arbeiten, die sich mit Fragen zum Verhältnis von Zentrum und Peripherie mit Bezug auf die Auswirkungen der Großprojekte, Bürgerbeteiligung und Freiflächengestaltung im Berliner Stadtraum beschäftigen. Thematisiert werden sollen die Verbindungen der Peripherie (umgangssprachlich als »Pampa« bezeichnet) zur Mitte der Stadt (Bezirksbezeichnung für die Berliner Innenstadt, soll hier aber auch verstanden werden im Sinne eines sozialen Schichtungsmodells). Wie lassen sich Zwischenräume wahrnehmen, wie werden die verschiedenen Stadträume gelebt und wie stehen sie untereinander in Beziehung.

Situation

Die U‐Bahnlinie 5 verbindet aktuell zwei Großprojekte: die U‐Bahnlinie 55 mit dem Neubau von drei Bahnhöfen in der ehemals historischen Mitte Berlins sowie den Umbau des künftigen U‐Bahnhofs Kienberg für die Internationale Gartenausstellung IGA 2017 im Bezirk Marzahn‐Hellersdorf. Beide Vorhaben sind begleitet von offizieller und selbstinitiierter Bürgerbeteiligung und haben erhebliche Auswirkungen auf ihr jeweiliges Umfeld.

Mitte in der Pampa stellt sich räumlich, sozial und politisch den Fragen, wie weiterhin in der »Mitte« Entscheidungen gefällt werden, die sich in der »Pampa« auswirken. Deutlicher werden soll das Verhältnis zwischen Zentrum und Peripherie zueinander und die Potentiale des Eigensinn der Pampa.

Von April bis Oktober 2017 wird die U‐Bahnlinie 5 Zubringer für geschätzte 2,4 Millionen Besucher_innen der IGA 2017. An beiden Enden dieser U‐Bahnlinie machen sich Bürger_innen für den Erhalt von Grünflächen stark. Im Bezirk Mitte von Berlin stimmte die Mehrheit bei einem Bürgerbeteiligungsverfahren zur Neugestaltung der großen Fläche oberhalb des U‐Bahnhofs Berliner Rathaus für einen Erhalt des Grünzugs und gegen eine Bebauung. In Hellersdorf protestieren Anwohner_innen gegen die Bebauung des Naturschutzgebiets Kienberg durch die IGA 2017.

Erwartungen an die künstlerischen Arbeiten

Die künstlerischen Arbeiten sollen auf die spezifischen Gegebenheiten eines oder mehrerer Bahnhöfe der U‐Bahnlinie 5 bzw. deren Umfeld zwischen U‐Bahnhof Hauptbahnhof und U‐Bahnhof Cottbusser Platz Bezug nehmen und damit ortsbezogen konzipiert werden. Sie sollen ästhetische, stadträumliche sowie gesellschaftspolitische Verhältnisse zwischen Zentrum und Peripherie in Berlin bearbeiten und auf die damit verknüpften urbanistischen, kulturellen und ökonomischen Entwicklungen eingehen. Gesucht werden neue künstlerische Ausdrucksformen von städtischen Aushandlungsprozessen – installative als auch interventionistische, partizipatorische und/oder performative Arbeiten sind möglich; Künstler_innen und/oder Künstlergruppen können temporär vor Ort sein um auf spezifische Momente zu reagieren und neue Beziehungen zu lokalen Gegebenheiten und den Menschen vor Ort aufzubauen.

Bevorzugt werden sollen für die künstlerische Bearbeitung die U‐Bahnhöfe Hauptbahnhof, Berliner Rathaus, Kaulsdorf‐Nord und Cottbusser Platz. Die Zuständigkeiten sind im Verlauf der Realisierung in Abstimmung mit der Arbeitsgruppe Kunst im Untergrund abzuklären. Die Realisierungsorte für den Kunstwettbewerb werden mit einer Brachfläche am U‐Bahnhof Cottbusser Platz sowie mit dem am U‐Bahnhof Kaulsdorf‐Nord platzierten Arbeits‐ und Ausstellungsraum erweitert.

Kunststandorte

Die U‐Bahnhöfe der Linie U5

Die Linie U5 führt derzeit vom Alexanderplatz unterirdisch über die Karl‐Marx‐Allee entlang durch die von Aufwertungs‐ und Verdrängungsprozessen betroffenen Berliner Bezirke Friedrichshain und Lichtenberg; oberirdisch durch das Einfamilienhausgebiet Biesdorf, durch die zwischen 1977 und 1990 errichteten Plattenbausiedlungen in Kaulsdorf‐Nord und Hellersdorf bis zum zukünftigen, neu gestalteten IGA 2017 -Bahnhof U‐Bahnhof Kienberg – Gärten der Welt (z.Zt. U‐Bahnhof Neue Grottkauer Straße).

Im Jahr 2016 möchte der Kunstwettbewerb zusätzlich die Verlängerung der Linie U5 vom U‐Bahnhof Alexanderplatz bis U‐Bahnhof Hauptbahnhof einbeziehen: drei schon in Betrieb genommene U‐Bahnhöfe Hauptbahnhof, Bundestag und Brandenburger Tor (aktuell Linie U55) sowie die drei im Bau befindlichen U‐Bahnhöfe Unter den Linden, Museumsinsel und Berliner Rathaus (Projekt U5). Im Jahr 2016 und 2017 werden auch der Bahnhof nach dem IGA‐Bahnhof, der U‐Bahnhof Cottbusser Platz mit der direkt angrenzenden großen Freifläche zwischen Maxie‐Wander‐Straße und Carola‐Neher‐Straße im Bezirksteil Hellersdorf, zu Interventionsorten des Kunstwettbewerbs. In die U‐Bahnhöfe Hauptbahnhof, Bundestag und Brandenburger Tor können Arbeiten z.B. an den Bahnhofswänden platziert werden. Die U‐Bahnhöfe Unter den Linden, Museumsinsel und Berliner Rathaus sind Großbaustellen und hier kann es nur Arbeiten außerhalb der Baustellen geben. In den Bahnhöfen zwischen Alexanderplatz und Tierpark können Arbeiten z.B. auf Hintergleisflächen platziert werden. In den Bahnhöfen zwischen Biesdorf‐Süd und Cottbusser Platz können Arbeiten z.B. in den Vitrinen der Abfertigungshäuser auf den Bahnsteigen platziert werden (außer U‐Bahnhof Neue Grottkauer Straße).

Brach‐ und Wiesenfläche am U‐Bahnhof Cottbusser Platz

Zentrales Aktionsfeld des Kunstwettbwerbs ist die großläufige, von Bewohner_innen beliebte Brach‐ und Wiesenfläche zwischen U‐Bahnhof Cottbusser Platz, Carola‐Neher‐Straße und dem Auerbacher Ring. Auf dieser Wiese lassen sich übergreifende Widersprüche ablesen. In zeitlicher und räumlicher Nähe der Internationalen Garten‐Ausstellung IGA 2017 sollen die Begriffe »International«, »Garten« und »Ausstellung« aus unterschiedlichen Perspektiven untersucht und hinterfragt werden. Bezogen auf die Herkunft der Bewohner_innen ist Hellersdorf ein durch verschiedene Nationalitäten gesprägtes Viertel: Neben einer steigenden Anzahl von Menschen mit Migrationshintergrund und Geflüchteten wohnt auch eine große Zahl an Russland‐Deutschen hier. Die kulturelle Durchmischung ist nicht sehr sichtbar und viele Einwander_innen im Bezirk verstehen sich selbst auch nicht alle als international oder wollen so gesehen werden.

Im Zuge des Bundeswahlkampfs 2013 nutzte die NPD das neu eröffnete Flüchtlingsheim an der Maxie‐Wander‐Straße in Stadtteil Hellersdorf als Ort der populistischen Agitation und öffentlichen Erregung. Die Partei instrumentalisierte die Nachbar_innen und die Medien für ihren im doppelten Sinne billigen Wahlkampf und bombardierte die Gegend mit »Maria statt Scharia«-Plakaten.

Das plötzlich ins Zentrum des Konflikts katapultierte Heim liegt in der Nähe des U‐Bahnhof Cottbusser Platz und ist umgeben von DDR‐Plattenbauten, dem Regine‐Hildebrandt‐Park, einer Sporthalle, dem Jugendzentrum U5 und einer noch im Entstehen begriffenen Neubausiedlung. Mittendrin liegt eine große Brachfläche, die mit wildem Gestrüpp, neu Gepflanztem, einem Bolzplatz und zahlreichen Trampelpfaden belegt ist. Im Rahmen des Städtebauprogramm Stadtumbau Ost wurde 2000 eine Schule hier abgerissen. Zu einem späteren Zeitpunkt soll diese Brache bebaut werden. Eine Aluminiuminstallation erinnert mit kaum leserlicher Schrift, dass hier bei Ausgrabungen der Siedlungsursprung von Hellersdorf gefunden wurde: Vergangenheit, Gegenwart und künftiges Hellersdorf schieben sich ineinander.

Die Brachfläche ist als »Place Internationale« für Austausch, Diskussion und Zusammenkommen der Anwohner_innen 2016 und 2017 gedacht und soll neuartige Öffentlichkeiten bilden. Dafür wird eine Grundinfrastruktur (Wasser, Strom, Vernetzung, Beschilderung) ermöglicht und kostenneutral zur Verfügung gestellt. Für diesen Kunststandort sind künstlerische Arbeiten möglich, die Ideen von Anwohner_innen aufnehmen sowie Arbeiten, die Konzeption und Realisierung unterschiedlicher Aneignungs‐ und Dialogformen dieser Brachfläche sowie des direkten Umfelds vorsehen.

Künstlerisch kann hier auch thematisiert werden ‚welches Gartenkonzept eine als Gartenstadt konzipierte Siedlung braucht. Auch die Aufstellung von Kunst‐am‐Bau‐Skulpturen der städtischen Wohnungsunternehmen haben eine Bedeutung für diesen Stadtteil, der ansonsten kaum über kulturelle und soziale Einrichtungen verfügt. In den Fokus kann ebenso genommen werden, welche Änderungen Großprojekte mit sich bringen und den städtischen Alltag beeinflussen.

Besonders durch die Realisierung von prozesshaften Arbeiten auf der Brachfläche sollen Formen lokaler Aneignungspraxen und direkter Kommunikationen befördert werden.

Projektzentrale station urbaner kulturen

Von der Brache fußläufig entfernt befindet sich in einem ehemaligen Ladenlokal auf dem Kastanienboulevard (bis 2016 auf dem Cecilienplatz) die von der Arbeitsgruppe Kunst im Untergrund seit 2014 betriebene Projektzentrale station urbaner kulturen. Durch die Aktivitäten der letzten zwei Jahre hat sie ein Stammpublikum gebildet und spielt eine entscheidende Rolle als Anlaufstelle für Anwohner_innen, Initiativen und Künstler_innen, als Vermittlungsangebot für den Kiez und als Impuls für engagierte Bürger_innen draußen. Sie diente bisher als Homebase, Adresse, Treffpunkt und Standort für Debatten und Präsentationen, als Archiv, als Pflanzenlager für Gärtner_innen und immer wieder auch als Produktionsatelier. Alle Wettbewerbseinreichungen werden hier ausgestellt. Die station urbaner kulturen soll den ausgewählten Künstler_innen nach Absprache zudem als Büro, Aufenthalts‐ und Produktionsstätte zur Verfügung stehen. Die Arbeitsgruppe Kunst im Untergrund wird mit einem Begleitprogramm und verschiedenen Präsentationsformaten in der station urbaner kulturen die ausgewählten künstlerischen Arbeiten kontextualisieren und den Nachbar_innen, Kiezbewohner_innen und dem Berliner Kunstpublikum vermitteln. An diesem Standort sind künstlerische Arbeiten vorstellbar, die teilweise in der station urbaner kulturen produziert werden und/oder diese Räume als Anlaufstelle und Präsentationsraum nutzen.

Der Raum umfasst 80 m2 Ausstellungs‐ und/oder Produktionsfläche, WC, Küche und einen Arbeits‐ und Lagerraum. Für Ausstellungen und Projektpräsentationen steht Technik, Aufsichtspersonal sowie nötige Grundinfrastruktur zur Verfügung.

Die U‐Bahnhöfe der Linie U5, station urbaner kulturen und Brache bilden für den Kunstwettbewerb zukünftig die Eckpunkte eines imaginären Dreiecks, die durch die künstlerischen Interventionen in einer konkreten als auch gedanklichen Verbindung zueinander gestellt werden können. Möglich sind daher auch Kunstprojekte, deren Umsetzung in der U‐Bahn beginnen, auf der Brachfläche weitergeführt und in der station urbaner kulturen vermittelt werden.